Beschaffenheitsvereinbarungen der Vertragsparteien über Umstände, die von außen auf die Mietsache unmittelbar einwirken, können auch durch schlüssiges Verhalten getroffen werden. Bei Baulärm fehlt es jedoch in der Regel an einer (konkludenten) Zustimmung des betroffenen Mieters zu den unausgesprochenen Vorstellungen des Vertragspartners über das Umfeld der Mietsache (LG Berlin, Beschluss vom 27.02.2014, 67 S 476/13).
Nach erfolgter Mängelanzeige durch den Mieter hat der Vermieter das Recht, den geltend gemachten Mangel persönlich zu besichtigen, um zu entscheiden, in welcher Weise der gerügte Mangel zu beseitigen ist. Die unberechtigte Verweigerung der Besichtigung führt zu einem Ausschluss des Minderungsrechts des Mieters. Verweigert der Mieter generell eine Besichtigung durch den Vermieter, so muss er zur Aufrechterhaltung seines Mietminderungsrechts hinreichend klar erkennen geben, wenn er seine Meinung ändert und eine Besichtigung durch den Vermieter duldet (LG Berlin, Urteil vom 15.10.2013, 63 S 626/12).
Zwei jüngst veröffentlichte Entscheidungen des Landgerichts Berlin haben sich mit unterschiedlichen Facetten des Themas „Mietminderung“ auseinandergesetzt. Grund genug, diesen Themenkomplex eingehender zu beleuchten, zumal hier in der Praxis oftmals Missverständnisse und/oder Unwissen der Betroffenen zu Tage treten.
I. Wesen der Mietminderung
Ansatzpunkt der Minderung der Miete ist die Mangelhaftigkeit der Mietsache. Mangelhaftigkeit bedeutet dabei (negative) Abweichung der Ist-Beschaffenheit der Mietsache von der vertraglich vereinbarten Soll-Beschaffenheit. Nicht jeder vom Mieter als abträglich empfundene Zustand führt daher automatisch zur Minderung der Miete. Wesentlich ist, dass es sich hierbei nicht um einen „Anspruch auf Herabsetzung der Miete“ handelt, wie ein weit verbreiteter Irrglaube annimmt. Vielmehr ist die vertraglich vereinbarte Miete von Gesetzes wegen bei vorliegen eines entsprechenden Mangels verhältnismäßig herabgesetzt. Dies von Beginn der Beeinträchtigung, so dass der Mieter ab diesem Zeitpunkt auch ohne ausdrückliche Geltendmachung eines „Minderungsanspruches“ automatisch nicht mehr als den herabgesetzten Mietzins schuldet (vl. BGH Urt. v. 7.12.1960, NJW 1961, 916; BGH Urt. v. 27.2.1991, NJW-RR 1991, 779). Es hängt also nicht von der „Zustimmung“ des Vermieters ab, ob der Mieter weniger Miete zahlen „darf“. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Vermieter in der Lage ist, den Mangel zu beheben, oder ihn daran ein Verschulden trifft. Dies folgt aus der Funktion der Mietminderung als Äquivalenzausgleich (BGH Urt. v. 23.4.2008, NZM 2008, 609, 610). Andererseits kommt eine Minderung nicht in Betracht, solange sich der Mangel auf den Mietgebrauch nicht auswirkt oder sobald der Mieter den Mangel selbst behoben hat. Für das Bestehen der für die Minderung maßgebenden Gründe ist der Mieter beweispflichtig, für deren Wegfall der Vermieter.
II. Zeitraum der Geltendmachung
Ein weiterer, weit verbreiteter Irrglaube geht dahin, dass ein „Anspruch auf Minderung“ auch für die Vergangenheit bestünde. Dem ist indes nicht so. Denn dem Vermieter muss der Mangel angezeigt und diesem Gelegenheit gegeben werden, den Mangel zu beseitigen. Unterlässt der Mieter die Anzeige, kann der Mieter die Minderungsrechte nicht geltend machen (§536c Abs. 2 Ziffer 1. BGB). Erfolgt – was in der Praxis nicht selten vorkommt - die Anzeige erst Wochen oder gar Monate nach Auftreten des Mangels (oder gar nicht), kann nicht „rückwirkend gemindert“ werden, indem auf die laufenden Mietzahlungen ein entsprechender – weitergehender – Betrag einbehalten wird. Erst recht nicht angängig ist die nachträgliche Aufrechnung mit vermeintlichen Minderungsansprüchen aus zunächst geduldeten Mangeltatbeständen, wenn die Mietparteien aus anderem Anlass in Streit geraten. Gerade dieser Ansatz ist in der Praxis jedoch häufig anzutreffen.
Allerdings hat der Mieter, wenn dieser trotz Vorliegens der Voraussetzungen eines gesetzlich herabgesetzten (geminderten) Mietzinses den ursprünglich vereinbarten Mietzins zunächst weiter zahlt, unter Umständen einen Rückforderungsanspruch wegen rechtsgrundloser Zahlung. Es sollte dann allerdings vorsorglich eine Zahlung unter ausdrücklichem Vorbehalt der späteren Rückforderung erfolgen.
III. Bewertung der Minderungshöhe
Das Gesetz sieht in § 536 Abs. 1 S. 2 BGB im Falle einer teilweisen oder vollständigen Gebrauchsuntauglichkeit der Mietsache vor, dass der Mieter nur eine angemessene – unter Umständen auf „Null“ - herabgesetzte Miete zu entrichten hat. In der Rechtspraxis wird der Minderungsbetrag in der Regel in Prozentsätzen von der ursprünglich vereinbarten Miete ausgewiesen. Zu zahlen hat der Mieter dann nur die Differenz zwischen ursprünglich vereinbarter Miete und Minderungsquote. Bei der Bewertung der Mängel werden in der Regel folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen sein:
- Art und Umfang der Funktionsbeeinträchtigung für den Mietgebrauch
- Dauer und Häufigkeit der Beeinträchtigung
- Berücksichtigung von Jahreszeit und Wohnumfeld
- Verhältnis der Miethöhe zu Qualitätsstandard der Mietsache
- Optische Auffälligkeit des Mangels
Dies sind nur die gängigsten Bewertungsstichpunkte. Allgemein gültige Bewertungskriterien existieren nicht. Es gibt auch keine Pauschalbewertung oder Typisierung (etwa, dass in einem Altbau mit Kellerfeuchte gerechnet werden muss). Anders verhält es sich nur bei bautypischen Eigenschaften (z.B. Dichtigkeit von Einfachverglasung).
Um die Minderung in der Praxis handhabbar zu machen, haben sich sogenannte Mietminderungstabellen durchgesetzt. Hierin sind Urteile von Instanzgerichten in Mietstreitigkeiten zum Thema Minderung gesammelt, so dass anhand vergleichbarer Fälle ein Maßstab für die angemessene Minderungshöhe gefunden werden kann, der vor Gericht Bestand hat.
Das Gericht kann dem Mieter in einem Zahlungsrechtsstreit einen höheren Minderungsbetrag zubilligen, als dieser selbst geltend gemacht hat. Andersherum läuft der Mieter, der „zu hoch greift“, Gefahr, einen Teil der Kosten des Rechtsstreites auch dann tragen zu müssen, wenn der Minderungsgrund als solches dargelegt und bewiesen werden kann. Überdies besteht die Gefahr einer außerordentlichen Kündigung, wenn überhöhte Minderungsbeträge kumuliert jedenfalls mehr als den Betrag zweier Monatsmieten erreichen.
Das Gesetz sieht vor, dass wegen unerheblicher Mängel nicht gemindert werden kann (§ 536 Abs. 1 S. 3 BGB). Wo diese Grenze liegt, ist letztlich wiederum dem Einzelfall bzw. der Entscheidung des einzelnen Gerichts überlassen. Zu beachten ist, dass die Summierung mehrerer für sich betrachtet unerheblicher Mängel zu einem Überschreiten der Erheblichkeitsschwelle führt. Diese liegt bei teuren (Gewerbe-)Mietobjekten generell niedriger als bei preisgünstigem Wohnraum.
Der Bundesgerichtshof hat nunmehr den zuvor herrschenden Meinungsstreit geklärt, ob die Minderungsquote von der Bruttomiete oder der Nettomiete berechnet wird. Zutreffend ist hier die Bruttomiete heranzuziehen (BGH Urt. v. 6.4.2005, NZM 2005, 455).
IV. Weitere Ansprüche bei Mangelhaftigkeit der Mietsache
Weitgehend unbekannt ist offenbar das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechtes neben der Mietminderung. Dieses Rechtsinstitut folgt aus dem Erfüllungsanspruch des Mieters auf Herstellung eines vertragsgemäßen Zustandes der Mietsache. Diese Einrede muss jedoch entsprechend geltend gemacht werden (vgl. BGH Urt. v. 12.3.2008, NZM 2008, 522). Das Zurückbehaltungsrecht steht dem Mieter allerdings nicht für den Monat zu, in dem der Mangel entstanden ist, da dieser von Gesetzes wegen vorleistungspflichtig ist. Der Umfang des Zurückbehaltungsrechtes wird in der Regel mit dem 3- bis 5-fachen der Minderungsquote bemessen. Der Vermieter kann also nicht einfach die Minderungsquote hinnehmen und die Mangelbeseitigung unterlassen.